Die Leber und die Haut

Die Leber ist für uns ein viel wichtigeres Organ, als uns gemeinhin bewusst ist.

Nicht umsonst leitet sich das Wort Leber, von Leben ab.

Sie ist sozusagen ein Urbild für umfassende Regeneration und Lebendigkeit.

Wenn die Leber nicht da wäre, da wäre nichts Gutes im Leibe…sie mildert durch ihre Güte alles Ungestüm“  lehrte bereits begeistert Paracelsus. Nach den alten Traditionen ist die Leber ein Bild von Jupiter, der freundlichste der Planeten, er wird auch als „großes Glück“ bezeichnet, und die Leber wurde als „innerer Alchemist“ angesehen. 1

Die Leber und die Haut gehören in besonderer Weise zusammen, wie es auch aus alten Zeiten schon überliefert wurde, es wurde darüber nur schon viel vergessen. Die Anthroposophische Medizin hat sich diesem speziellen Thema in besonderer Weise gewidmet und Heilmittel- und Therapieangaben von Rudolf Steiner (1861-1925) studiert, untersucht und weiterentwickelt.

In vielerlei Weise finden sich auch Übereinstimmungen mit Vorstellungen und Angaben des Paracelsus (1493-1541).

Die neueren Erkenntnisse und Entwicklungen in anthroposophischer-dermatologischer Hinsicht sind zu einem guten Teil mit dem Hautarzt Dr. Lüder Jachens und dessen Arbeitskreis verknüpft, woraus auch ein Lehrbuch für anthroposophische Dermatologie entstanden ist.

Wenn die Leber manifeste Probleme hat, kommt es zu allerlei Hauterscheinungen, die auch die allopathische, die Schulmedizin gut kennt. Gelbsucht, Spider naevi, Rötung der Handinnenflächen, u.a. können auftreten.

Dieser Artikel beschreibt und meint allerdings nicht diese Hauterscheinungen welche bei tatsächlichen Lebererkrankungen auftreten, sondern widmet sich allgemein bekannten und häufigen Hauterkrankungen welche durch eine Leberschwäche, Leberträgheit, Leberüberfunktion beeinflusst oder mitverursacht werden, wie zum Beispiel Akne.

In ganzheitlichen Medizinsystemen, wie in der chinesischen TCM, in der anthroposophischen Medizin und TEM (Traditionell europäische Medizin, z.B. Paracelsus, Spagyrik u.a.) kommt der Leber eine sehr große Bedeutung zu und sorgt häufig bei einer Belastung für Unordnung im System.

Die Beeinträchtigung der Leber bei Hauterkrankungen zeigt sich meistens weder durch auffällige Laborwerte noch durch eine äußerliche, physische Veränderung des Organs. Daher sprechen wir von einer rein funktionellen Störung, wenn die Leber in diesem Sinne aus dem Gleichgewicht geraten ist. In der westlichen Medizin wäre damit die Leber gesund, die Blutwerte sind Ok, der Ultraschall ist ok, nichts schmerzt. Der Patient weiß ebenso nichts von seinem Leberproblem, denn sichtbar ist (in unserem Fall)  nur die Hauterkrankung

Wenn die Störung nicht messbar ist, woher wissen wir dann davon?

Verschiedene Befindlichkeiten des Patienten und verschiedene typische Symptome können als sogenannte Leberstörung oder Leberschwäche interpretiert werden und zu solchen „Diagnose“ hinleiten. Mit den passenden naturheilkundlichen (Leber-) Heilmitteln kann dann behandelt werden. Letztendlich können die naturheilkundlichen Systeme die Leberschwäche nicht beweisen, die Besserung selbst rechtfertigt die Therapie und die Behandlung der Leber.

In der anthroposophischen Dermatologie werden geradezu typische „Leberdermatosen“ unter den Hauterkrankungen aufgezeigt. Hauterkrankungen, welche eng mit der Leber bzw. mit deren Funktionen vergesellschaftet sind, und bei welchen sich durch Leberbehandlung das Hautorgan bessern kann.

Wie auch der TCM stellt auch die anthroposophische Medizin fest, dass die Leber in einen Schwächezustand oder auch in einen Überfunktions- einen Füllezustand geraten kann. Von diesem Feintuning der Leberbefindlichkeit hat die Schulmedizin allerdings keine Kenntnis.

Der Zustand der Leberbelastung produziert vielfältige Symptome, vor allem im vegetativen und im Gemütsbereich.

Störungen im vegetativen Bereich bemerkt man an der Schlafqualität und Schlafrhythmus, Tagesmüdigkeit und Abgeschlagenheit, Appetit und Durstverhalten, Vorlieben und Antipathien für bestimmte Speisen, Verdauungsstörungen. Leberstörungen im seelischen Bereich äußern sich zum Beispiel in einer Verstimmtheit, einer melancholischen „Leberdepression“, in Willensschwäche mit z.B. Schwierigkeiten Vorgenommenes in die Tat umzusetzen, es ist schwer in die Gänge zu kommen, Konzentrationsschwierigkeiten oder auch cholerischen Ausbrüchen und Gereiztheit wenn die Laus über die Leber läuft.

Wenn die Leber ihre Arbeit nicht mehr ordentlich ausführen kann, führt das zu einem Ungleichgewicht im System. Andere Organe die mit ihr zusammenhängen kommen ebenfalls ins Strudeln und das ist oft die Haut. Ist die Leber zu schwach, werden Hautprozesse zu stark, besonders der Stoffwechsel im Drüsenbereich.

Ein gutes Beispiel hierfür ist die Akne und Rosacea. Vereinfacht gesagt:

Die Leber ist schwach, die Stoffwechseltätigkeit der Haut zu stark. Umgekehrt, ist in der Haut zu wenig Stoffwechsel und überwiegt der Nervenprozess wie bei Juckreiz, Neurodermitis oder Schwäche der Nägel oder des Bindegewebes, ist die Leber (unsere größte Drüse) mit zu viel Stoffwechselaufgaben überlastet und „in Unordnung“. In beiden Fällen hilft es der Haut wenn die Leber in ihrer regelrechten Funktion unterstützt wird, so dass die Haut selbst wieder entlastet wird.

In der anthroposophischen Medizin sind folgende Hauterkrankungen als sogenannte typische „Leberdermatosen“ zu bezeichnen:  2

 

  • Akne
  • Rosacea
  • Follikulitiden
  • Seborrhoisches Ekzem
  • Mykosen
  • Prurigo simplex subacuta

Sie deuten auf eine zu schwache oder auch träge Lebertätigkeit hin.

 

Eine zu große bzw. ungeordnete Lebertätigkeit findet sich häufig bei:

  • Pruritus generalisatus
  • Psoriasis vulgaris
  • Diffuse Alopezie
  • Schlechte Nagelqualität
  • Polymorphe Lichtdermatose
  • Varikositas

 

Diese Hauterkrankungen gehen sehr häufig mit einer funktionellen Leberstörung einher, aber nicht zwingend. Ebenso wie eine Leberstörung vorliegen kann ganz ohne Hautsymptome, oder eventuell anderen Hautsymptomen.

Die  Leber wird am häufigsten durch Zufuhr von Schadstoffen von außen gestört. In unserer Zeit ist das nicht schwierig, wir sind mit einer Vielzahl an giftigen Substanzen tagtäglich konfrontiert. Nahrungsmittel werden mit Pestiziden, Herbiziden, Schwermetallen belastet. Fertignahrungsmittel enthalten eine Vielzahl an Konservierungsstoffen, Süßungsmittel, Farbstoffen, Geschmacksverstärkern. Viele Menschen nehmen täglich nicht wenige Medikamente ein. All das wird in der Leber verstoffwechselt und in bestem Bemühen entgiftet. Das unsere Leber hiermit immer mehr überfordert wird liegt nahe. Auch das Genussgift Alkohol bringt die Leber exzellent in arge Bedrängnis. Obschon zu sagen ist: Die Dosis macht das Gift.

Bei der Hauterkrankung Rosacea merken wir die unmittelbare Wirkung des Alkohols auf das But mit der entstehenden sofortigen Gesichtsröte. Die meist vorliegende Leberschwäche kommt mit Alkohol überhaupt nicht mehr klar.

Negative Emotionen korrumpieren nicht nur unsere Stimmung, sie wirken sich auch auf die Organe schädigend aus. Vor allem in der chinesischen Medizin ist gut bekannt, dass ein Übermaß an Zorn und Wut die Leber schädigt, und die Galle zum Überlaufen bringt. Emotionen sind häufig eine gewichtige Ursache für Probleme der inneren Organe.

Auch mit Licht und Sonnenmangel hat die Leber zu tun. Rudolf Steiner erwähnt: „Mangel an Sonnentätigkeit bringt die Lebertätigkeit in Unordnung, Sonnentätigkeit fördert die Lebertätigkeit“ 3. Um das Leben der Leber zu fördern ist es demnach förderlich, sich öfter mal die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen.

In der Leber wird auch Vitamin D (eigentlich Hormon D) aus der Haut verstoffwechselt bevor es an die Niere weitergegeben wird. Erreicht mehr Sonnenlicht die Haut (und ist die Haut auch fähig Vitamin D aufzunehmen) hat die Leber also mehr zu tun, im positivsten Sinne. Durch einen Mangel an Vitamin D Hormon kommt es nicht nur zu Müdigkeit, Abgeschlagen, sondern sogar zu Depression (sogenannter „Leberdepression“, auch Melancholie, Winterdepression). Ist die Leber bereits geschädigt, die Leberwerte im Blut bereits erhöht, führt dies ebenfalls zu einem Vitamin-D-Mangel. Viele Menschen mit Hautproblemen haben auch einen Vitamin-D-Mangel zusammen mit einer Leberschwäche. Wenn die Leber geschwächt ist, kommt sie mit äußerer Sonnenbestrahlung nicht gut klar. Der Rosacea Patient verträgt überhaupt schwer die Sonne, derjenige mit Polymorpher Lichtdermatose reagiert sogar allergisch auf das Sonnenlicht, bessert sich aber durch „Abhärtung“ mit UV-Bestrahlung während des Winters. Auch bei Akne verschlechtert sich meistens das Bild durch intensive Besonnung, kann sich aber auch gegenteilig bessern. Hier kommt es auf die Art der Akne an.

Ist die Haut erkrankt, ist sie oft nicht mehr ausreichend in der Lage genügend Vitamin D Hormon zu bilden, das fehlt dann auch in der Leber und in der Folge im ganzen Organismus. Oft ist es gerade dann so heilsam in die Sonne zu gehen, und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass die Leber ordentlich unterstützt wird, um das Lichtprodukt auch gut verarbeiten und „verdauen“ zu können.

Dies ist bei Neurodermitikern und vor allem beim Psoriatiker der Fall. Sie profitieren überaus eindrucksvoll von Sonnenlicht. Aus ganzheitlicher Sicht ist es die „richtige“ Lebertätigkeit, welche durch die Sonne gefördert und in Ordnung gebracht wird. Dies führt weiterhin zur Entlastung der Haut oder zum Rückgang der Hauterscheinung. Menschen mit Rosacea profitieren außerordentlich von einer Leberbehandlung, die Haut freut sich darüber sehr, wenngleich meistens die Sonnencreme weiterhin dringend anzuraten ist. Dies vor allem in den ersten Sonnenmonaten bis Mai/ Juni, danach hat die Haut schon einen besseren Eigenschutz entwickelt.

Die anthroposophische und die traditionelle Medizin kennt eine Vielzahl an Leberheilmitteln. Es sind vor allem Pflanzenpräparate, Tees, Wickel, Heilerden. Die Mariendistel in diesem Reigen ist weithin bekannt und auch schulmedizinisch als Leberschutzmedikament im Einsatz.

Häufig angewandt und nicht wegzudenken ist das ebenfalls pflanzliche Präparat Hepatodoron in Tablettenform. Ein sogenanntes Typenmittel, hergestellt nach Angaben und Rezeptur von Rudolf Steiner. Ist die Leberschwäche deutlich ausgeprägt im Gemütsleben erlebbar, kommt Zinn in potenzierter Form zur Anwendung. Zinn ist das Planetenmetall des Jupiter und somit der Leber zugeordnet. Löwenzahn, Wegwarte, Bittermittel, Eselsdistel, Leberklette, Berberitze sind einige weitere Möglichkeiten. Aus dem Mineralienreich ist Schwefel zu nennen, potenziert oder als Schwefelbad.

Lebermittel werden kurmäßig für vier Wochen oder auch für deutlich längere Zeit gegeben. Je intensiver die Leber zuvor belastet war, beispielsweise medikamentös oder auch durch eine lange chronische Hauterkrankung, umso länger braucht es manchmal ihr wieder auf die Beine zu helfen.

Daher empfiehlt die Volksheilkunde auch jeden Frühling (das ist die Leberzeit) zur Gesundheitsvorsorge eine Kur mit Bitterstoffen zu machen. Das reinigt, entgiftet, stärkt das Immunsystem und kurbelt die Lebensgeister an. Das berühmte «Elixir ad longam vitam» des Paracelsus soll überwiegend Bitterstoff-Pflanzen enthalten haben, die bittere Enzianwurzel zum Beispiel.

Hildegard von Bingen (1098-1179) empfahl ebenfalls eine regelmäßige Frühjahrskur mit Wermut durchzuführen. 4

Heute spielen bei Hauterkrankungen die Bitterstoffe in der naturheilkundlichen Therapie und bei der Entgiftung der Leber wieder eine große und bedeutende Rolle. Die Therapie der Leber bei Hauterkrankungen wird wieder vermehrt in den Fokus gerückt und die Gesundheit der Leber beachtet und gefördert, so wie es seit langem beispielsweise in der anthroposophischen Medizin praktiziert wird.

© Dr. Barbara Guttmann 03_2019

1 Olaf Rippe, Paracelsusmedizin, Schweiz, 6.Auflage 2016, AT Verlag, S.77

2 Dr. Jachens, Dermatologie, Deutschland, 1. Auflage 2012, Salumed Verlag,  S.187

3 Rudolf Steiner, GA 351:56, Dornach, Mensch und Welt

4 Helmut Posch, Was ist Hildegard Medizin, Österreich, 1998 S. 199